„Wir sind hier aufgewachsen, wir haben hier viele Freunde, ich kann nicht verstehen, dass wir hier nicht sicher sein können.“ – Ali Kilade, Kamals Bruder
24. Oktober 2010
Kamal Kilade wird nur 19 Jahre alt. In der Nacht des 24. Oktobers wird er in der Nähe des Hauptbahnhofs von den Neonazis Daniel K. und Marcus E. mit einem Messer ermordet.
Kamal Kilade hielt sich am Tatabend mit zwei Freund:innen in der Parkanlage gegenüber des Hauptbahnhofs auf. Als Daniel K. und Markus E. anfangen, seinen Freund anzupöbeln, mischt sich Kamal Kilade ein. Daniel K. greift ihn sofort mit Pfefferspray an. Markus E. nutzt die Wehrlosigkeit von Kamal Kilade und sticht mehrmals mit einem Messer auf ihn ein. Über 13 Stunden versuchen Ärzt:innen erfolglos, das Leben von Kamal K. zu retten.
Die beiden Täter, 28 und 32 Jahre alt, kennen sich aus dem Gefängnis. Beide gehören der organisierten Neonaziszene an. In der Tatnacht tragen sie Kleidung mit einschlägigen Parolen, wie „Kick off Antifascism“ (dt.: Antifaschismus zertreten). Bei der Kneipentour, die am Hauptbahnhof endet, versucht besonders Daniel K., Auseinandersetzungen mit anderen zu provozieren. Dann treffen sie auf Kamal Kilade und seine Freund_innen. Nach dem Angriff auf Kamal Kilade werden Daniel K. und Marcus E. in der Nähe des Tatorts festgenommen.
Am ersten Prozesstag vor dem Landgericht Leipzig schließt die Staatsanwaltschaft ein rassistisches Tatmotiv aus. Es lägen „keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliches Motiv“ vor. Die Kleidung der Täter, ihre den Nationalsozialismus verherrlichenden Tattoos, sowie bei einer Hausdurchsuchung festgestellte einschlägige Literatur, spielen für die Staatsanwaltschaft bis zuletzt keine Rolle. Im Sommer 2011 wird das Urteil gefällt. Marcus E. muss wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen für 13 Jahre ins Gefängnis, mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Daniel K. wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht argumentiert, die Täter hätten sich in jener Nacht ganz bewusst zum Hauptbahnhof bewegt, um Stress zu suchen. Mit Kamal Kilade fanden sie schließlich ein Opfer, das ihrem rassistischem Feindbild entsprach und dessen Leben sie als unwert betrachteten.
Mit dem Urteil folgte das Gericht teilweise der Sicht der Nebenklage, die die Interessen der Familie Kamals vertrat. Um Kamal Kilade und allen weiteren Opfer rechter Gewalt zu gedenken, wurde am dritten Jahrestag des Mordes ein Gedenkstein am Tatort eingeweiht. Dieser wurde in den vergangenen Jahren mehrmals beschädigt.
Kamal Kilade wird offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt.